Distanzen

 

In Perth ist man weit von jeder anderen Hauptstadt Australiens entfernt. Im Westen der Stadt erstrecken sich die Weiten des indischen Ozean. Südlich liegen ein paar hübsche, kleine Badeorte, bevor hier ebenfalls das Land ausgeht und das Gewässer beginnt, welches Australien von Antarktika trennt. Nördlich sind es über viertausend Kilometer durch oft karge, öde und wenig besiedelte Landstriche bis nach Darwin im Northern Territory. Die nächstgelegene Stadt ist somit Adelaide im Osten, doch dazwischen erstrecken sich ebenfalls mehr als zweitausendsiebenhundert Kilometer. Dies entspricht etwa der Distanz zwischen London und Moskau. Nur ist die Fahrt von Perth nach Adelaide wohl um einiges langweiliger. Vorallem die eintausendzweihundert Kilometer zwischen Norseman und Ceduna, genannt Nullarbor, testen die Geduld eines jeden Reisenden. Hier führt die Strasse, der Eyre Highway, zwischen der Nullarbor Wüste und den steilen Klippen der Küste durchs Nichts. Benannt wurde die Strecke nach John Eyre, einem Abenteuerer, welcher als Erster Australien von Osten nach Westen durchquerte. Dieses Unterfangen dauerte damals gut fünf Monate und kostete dem Begleiter Eyres das Leben. Ganz so gefährlich ist die Reise heute allerdings nicht mehr. Auf einer asphaltierten Strasse braust man nun seinem Ziel entgegen, aber ausser einem Roadhouse gut alle zweihundert Kilometer gibt es hier Weit und Breit nach wie vor absolut Nichts.

Roadhouses sind sozusagen modernen Oasen, die zu astronomisch hohen Preisen Benzin anbieten, den Reisenden mit Coca-Cola und Süssigkeiten versorgen und ein paar Hotelzimmer und Campingplätze zur Verfügung stellen. Auf der langen, langweiligen Fahrt entlang der meist schnurgeraden Strasse bleibt somit mehr als genug Zeit über alles Mögliche nachzusinnen. Etwa darüber warum die Strecke wohl Nullarbor heisst. Vielleicht ist dies nicht ganz perfektes Lateinisch für 'Kein Baum'. Doch dies stellt eine denkbar schlechte Beschreibung dar, denn dank ausgiebigen Regenfällen vorallem im Winter säumen viele Bäume und Sträucher den Weg. Die andere dringende Frage, welche mir keine Ruhe lässt, ist, wie es wohl die paar Menschen, welche hier draussen in den Roadhouses arbeiten, aushalten, so abgelegen zu wohnen. Es ist ja nicht so, als ob sie am Abend schnell in die Stadt oder nach Hause fahren könnten ! Viel Verkehr hat es nicht, obwohl dies die einzige Strasse zwischen Süd- und Westaustralien ist. Wir begegnen immer etwa wieder denselben Autos, denn alle sind etwa im gleichen Tempo unterwegs und müssen in gleichen Abständen wieder auftanken. Wahrscheinlich ziehen es die meisten Touristen vor, die Strecke im Flugzeug zurückzulegen. So ist die Reise dann natürlich fast nur ein Katzensprung.

Nach Stunden auf dem Motorrad und immer noch viele Kilometer vom Ziel entfernt, bin ich zumindest überzeugt, dass die Welt halt doch nicht so klein ist, wie dies uns die neuen Technologien vorgauckeln. Halbwegs durch den Nullarbor begegnen wir einer Japanerin. Sie ist zu Fuss unterwegs ! Ihre Habseeligkeiten und etliche Kanister mit Wasser hat sie in einem Anhänger untergebracht, den sie vor sich hinstösst. Sie erzählt, dass sie ihre Australienrundreise vor nun mehr als einem halben Jahr in Darwin begonnen und somit jetzt gut die Hälfte des Weges hinter sich habe ! Wie sagt man doch so schön: Immer einen Schritt nach dem Anderen.

Ref: LZJUNE96.SAM

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